Ein Ratgeber für Stilfragen |
In unserer Schuhsammlung befindet sich ein Paar Oxfords, welches – fast 70
Jahre nachdem es gekauft worden war – wieder zu uns fand. Der Besitzer dieser Schuhe
hatte das Paar anläßlich seiner bevorstehenden Hochzeit erworben und war Jahre später
so freundlich, sie unserer Schuhsammlung zu stiften. Der Zustand der Schuhe ist noch heute
perfekt. Auch das Dessin der Schuhe ist zeitgemäß und läßt alle Spekulationen auf den
Entstehungszeitpunkt zu. Kaum verändert fertigen wir die gleichen Eduard Meier
Kappenschuhe noch heute.
Nicht bei Eduard Meier erblickte der erste Oxford das Licht der Schuhwelt. Er ist wohl ein Engländer, von dem man schon 1830 sprach. Die Oxford-Schnürstiefelette hat ihm dann um 1880 den Namen gegeben. Es mag erstaunen, daß die wenigsten unserer Schuhmodelle Kinder dieses Jahrhunderts sind. Nicht ohne Stolz lassen wir uns den Vorwurf gefallen, daß wir die unmodischsten Herrenschuhe aller Zeiten fertigen. Nachstehender Exkurs soll erklären, warum dies nicht falsch ist, wo die Schuhe ihren Ursprung haben und für welchen Zweck man sie gebraucht. Dabei möge man uns verzeihen, daß wir bei der Bezeichnung der Schuhe meist ins Englische geraten. Bedauerlicherweise haben sich hierfür in unserer Sprache keine annähernd präzis beschreibenden Ausdrücke entwickelt. Die Ursprünge der heutigen Schuh-Klassiker gehen meist bis in die späten Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück. Er ist der Zeremonienschuh und wurde als höfischer Schuh zur Bundhose getragen. Auch heute sieht er die Festlichkeit statt der Unbillen täglicher Strapaze. Als besonders formeller Begleiter des Smoking und einzig richtiger Partner des Fracks sollte man ihm das Tageslicht ersparen. Nur die ehrwürdigen Richter am Old Bailey bedienen sich des Court mit Silberschließe, wenn dem Gesetz Achtung verschafft werden muß. Für seine abendlichen Dienste begnügt sich der Pump mit einer bescheidenen Ripsschleife und die Experten meinen, daß ein Kenner die Glanzbehandlung des Boxcalf-Leders so gut verstehen muß, daß auf Lackmaterial verzichtet werden kann.
Napoleon Bonaparte würde sich im Grabe umdrehen, wüßte er, welcher Beliebtheit sich heute Schuhe erfreuen, die sein Kontrahent auf den Weg brachte. General Blüchers Infantrie trug kurze Schnürstiefel, die dem heutigen Blucher Pate standen. Der glatte derbygeschnürte Halbschuh ist offizieller Teil der Ausgehuniform vieler Streitkräfte und wird von Zivilisten keinesfalls geringer geschätzt.
Hat der Monk Anleihe bei den Sandalen der frommen Brüder und Padres genommen? Sein Name macht es meinen. Vergleicht man Schnallenschuhe und Schnürschuhe des 17. Jahrhunderts, sieht man, daß bedarfsweise ein Band durch die nur zwei Ösen aufweisenden Schnürteile gezogen wurde, wenn die ebenso verwendbare Prachtschließe weggelassen wurde. Als Namensgeber müssen jedenfalls die wackeren Ordensmänner herhalten. Heute wird der Monk als korrekter schwarzer Schuh zum Anzug tagsüber getragen. Früher war der Schnallenschuh keineswegs immer von Zurückhaltung geprägt. Die am Schuh befestigten Prunkfibeln des Rokoko gaben dem Träger die Möglichkeit, finanzielle Kraft und Stand zu demonstrieren.
Ähnlich dem Blucher ist der heutige Monk für Empfänge am Spätnachmittag zu sportlich. Hier wäre der geradkappige Oxford oder Derby gefragt oder der glatte Schnürschuh, wie er auch zum Cut (Cutaway, Morning Suit) getragen wird. Hier muß grundsätzlich angemerkt werden, daß ausschließlich schwarzes Schuhwerk für korrekte Kleidung erfordernde Anlässe opportun ist.
Der Stresemann erfordert natürlich den gleich korrekten Schuh wie der Cut. Glatt, natürlich schwarz, besser ohne Kappe und keine zu starke Sohle - sind die Vorgaben des Schuhs zur festlichen Tagesgarderobe. Und natürlich - man muß scheinbar an alles denken - um Lackleder muß der Herr einen gleich korrekten Schuh wie der Cut. Glatt, natürlich schwarz, besser ohne Kappe und keine zu starke Sohle – sind die Vorgaben des Schuhs zur festlichen Tagesgarderobe. Und natürlich – man muß scheinbar an alles denken – um Lackleder muß der Herr einen besonders großen Bogen machen. Je glatter ein Schuh, je weniger Zierrat, desto korrekter – ist die Faustregel. Aus diesem Grund darf auch ein glatter, kappenloser Oxford zum Smoking getragen werden.
Wann ist dann eigentlich der Loafer erlaubt? – Immer wenn keine besondere Korrektheit gefordert ist. Der Loafer kann natürlich tags zum Anzug getragen werden, wobei der dunkelgraue oder dunkelblaue Anzug schwarze Schuhe nötig macht. Insgesamt kann sich der Loafer (neudeutsch: Slipper – im angelsächsischen Raum bedeutet allerdings Slipper Hausschuh) nicht von seinem sportlichen Image lösen.
Der indianische Mokassin, der sehr große Ähnlichkeit zum Eskimostiefel und zum mokassinartigen Stiefel der Lappen hat, gab wohl die Idee zum Loafer. In den zwanziger Jahren gab es Schuhmodelle, die sich Norwegian-Loafers nannten. Ob hier die Verwandtschaft zwischen Indianer- und Lappen-Schuh eine Rolle spielte? Weejuns sind in meist besonders sportlichen Varianten zu haben. Ausdrücke wie "Beefrolls" für Mokassins mit rollbratenartigen seitlichen Nahtabschlüssen und "Pennyloafer", mit einem Schlitz in der Bride, in welchen oft ein Kupfercent als Schmuck gesteckt wird, sind illustrative Beschreibungen der Nachfolger indianischer Fußbekleidung. Als Mr. Sperry eine Sohle unter Schnürmokassins befestigte, deren Profil er den Pfotenflächen seines Hundes abgeschaut hatte, war der "Top-Sider" zum erfolgreichen Bootsschuh geworden.
Seine Wurzeln waren seinerzeit tief in den moorigen Boden des schottischen Hochlandes getrieben. Gemeinsam mit dem Ghillie kommt der Brogue aus den Tälern des guten Whiskeys. Mit Löchern versehen, die ihn zunächst nicht zieren, sondern lediglich Wasser, welches in den Schuh geronnen war, ablaufen lassen sollten, war er englischen Golfern aufgefallen. Als Golfschuh ging er Ende des 19. Jahrhunderts auf Welttournee. Die Schuhmacher Budas und Pests konnten sich mit dem neuen Stil so anfreunden, daß dieser Schuhtyp fortan ihr meistgemachter war. Nicht ohne Grund wird der Brogue immer häufiger "Budapester" genannt.
Unzählige Stilvarianten entstanden und fanden auch in den merkwürdigsten Bezeichnungen Ausdruck: Wingtip, Semibrogue, Longwing, Halfbrogue, Quarterbrogue, Locherlschuh u. v. a. Wichtig sind die beiden Hauptvarianten mit Flügelkappe (Fullbrogue) oder mit der geraden Kappe (Halfbrogue, Quarterbrogue, Semibrogue).
Die Namenszusätze "Oxford" (frz. Richelieu) für Blattschnitt und
"Derby" (frz. Molière) für die Beschreibung der Schnürung (wie auch beim
Monk) sind der Bezeichnung "Brogue" oft vorangestellt. Die beiden Schnürteile
des Blattschnitts laufen an einem Punkt unter das Blatt zusammen. Dagegen sind die beiden
Seitenteile des Derby über das Vorderteil des Schuhs (Blatt) gelegt und nach vorne offen.
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