Mittagspause im
November 1900. Von rechts: Prinz Ludwig (der spätere König
Ludwig III.), Prinzregent Luitpold, Prinz Leopold. (Alle Fotos: Deutsches
Jagdmuseum München)
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Außenzaun noch
einen etwa 40 Meter breiten „Lauf“ angebracht, der zu seinem
Stand führte. Er lag auf der Höhe der Schützenlinie, jedoch
etwa 250 Meter davon entfernt. Um den Regentenstand bildeten die mit Fichten
verblendeten Zäune einen etwa 150 Meter breiten Sack, wo die Sau,
wenn sie beim ersten Anlauf gefehlt wurde, abermals anlaufen mußte.
Forstmeister Simon schreibt in seinem Tagebuch, daß der Regent diese
Einrichtung nicht kannte. Nur der Leibjäger wußte, daß
es sich um einen Zwangstrieb handelte. In diesem Sack war eine herausnehmbare
Hürde eingebaut, die geöffnet werden konnte, wenn die starken
Sauen vom Regenten gestreckt waren; dann konnten die übrigen in die
Freiheit.
Die hohen Herren führten bei diesen Jagden Doppelbüchsen mit
Hahn: der Prinzregent und sein Sohn Ludwig Kaliber 11 mit sehr starker
Schwarzpulververladung, die anderen Kaliber 9,3 mit rauchlosem Pulver.
Der hervorragende Schütze Prinz Leopold jedoch führte schon
einen Mauser-Repetierer.
Die Saujagden im Park, an denen in der Regel sieben Schützen teilnahmen,
waren auf die drei Forstämter verteilt: Rohrbrunn und Altenbuch vier,
Bischbrunn drei Jagden. Nur Sauen wurden geschossen, manchmal auch ein
Fuchs - fast immer von Prinz
Leopold.
Den Ablauf eines Jagdtages beschreibt Simon folgendermaßen:


Die Skizze nach Aufzeichnungen von Forstmeister Georg Simon zeigt die
Kombination eines eingestellten Jagens für den greisen Regenten mit
einem halbfreien Treiben für die anderen Schützen. Wochen vorher
wurde mit dem Fang der Sauen begonnen, die in den Sortierkammern den Tag
der Jagd erwarteten. Die stärksten waren dem Regenten vorbehalten
und befanden sich im linken Teil der Kammer. Von dort wurden sie auf dem
Zwangswechsel zum Regentenstand getrieben, den sie im Uhrzeigersinn umrundeten.
Wurden sie gefehlt, kamen sie nach einer Runde nochmals. Den unbeschossenen
wurde ganz oben ein Tor geöffnet, wo sie entkommen konnten. Die anderen
Schützen erwarteten die Sauen aus dem rechten Teil der Sortierkammer.
Die besten Stände waren die „Prinzenstände“ an den
Flügeln, wo die Sauen den Zaun entlangflüchteten. „Um fünf
Uhr fütterte der Kutscher die Meute. Um sechs Uhr kamen die Treiber,
um die Hunde anzukoppeln. Etwa 18 bis 20 Hunde waren vorhanden, meist
Bracken, aber auch minderwertige Schweißhunde, Saupacker und zwei
Doggen. Die Treiberwehr bestand aus 35 bis 45 Mann. Acht Mann nahmen die
Saufedern - vorher scharf geschliffen - in Empfang.
Um 6.30 Uhr war Aufbruch. Voraus mit einer Pechfackel der Lange Peter
(der Schmied des Dorfes), dann in dessen Fackelschein die Treiber mit
Saufedern, dann die Hundeführer, hierauf die übrigen. Um 7.30
Uhr am Sammelplatz, der Jagdleiter gab vom Pferd seine Anweisungen. Die
Treiber wurden aufgestellt, jeder mußte seinen Strick in die Höhe
zeigen, woran er einen freien Hund ankoppeln oder eine Sau schleifen konnte.
Punkt acht Uhr traf der Pferdeführer Luitpolds mit einem der drei
Haflinger ein. Nach der Begrüßung des Jagdpersonals durch den
Regenten ging der alte Herr stets zu seinen Lieblingen, den Hunden, die
alle Pfote geben mußten - auch die bissigen. ‚Mir tun sie nichts‘,
meinte er und behielt recht. Danach bestieg er sein Pferd und ritt zu
seinem Stand.“
Insgesamt hat Luitpold alleine im Forstamt Altenbuch 96 Keiler und 379
andere Sauen erlegt. Die Gesamtstrecke dieser zehn Hofjagden in Altenbuch,
die Simon in seiner zehnjährigen Dienstzeit leitete, betrug 235 Keiler
und 1294 andere Sauen, außerdem fünf Füchse. Volle 50
Jahre lang reiste Bayerns hoher Jagdherr bis kurz vor seinem Tode in den
Spessart zur Saujagd. Bei seinem letzten Aufenthalt im Jahre 1911 stiftete
er 250 000 Mark für arme Schulkinder in den Spessartdörfern.
Diese Gegend zählte damals zu den ärmsten in ganz Deutschland.
Die Jagdstrecke, die man dem greisen Jäger zwischen dem 25. November
und dem 2. Dezember meldete, betrug 432 Wildschweine. 133 davon hat er
selbst erlegt.
»Der mit der
schiach`n Jopp`n«
Jäger
- November 1980 , S. 74 - 78
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65 Jahre
alt ist Prinz Luitpold, als er die Regentschaft in Bayem antritt. Die
Jagd war es vor allem, die seine Natürlichkeit und Volksnähe
offenbarte. Das Bild, das sich das Volk vom greisen Regenten machte,
hielt der persönliche Freund Franz August von Kaulbach in einem
Bild fest. Es diente später der Königlichen Post als Vorlage
für einen Briefmarkensatz und zeigt den Regenten natürlich
mit seinem berühmten Jagdhut.

Als Luitpold zum erstenmal als Prinzregent zur Jagd nach Hohenschwangau
kam, kannte man ihn noch kaum. Einer der Treiber fragte seinen Nachbarn:
„Wöller ischt's?“ (Welcher ist es?) Die Antwort: „Der
mit der schiach`n Jopp`n!“ (Der mit der häßlichen Jacke).
So war er immer: Stets trug er die echte Oberländer Tracht mit
Joppe, mit Wadenstrümpfen und der heißgeliebten „Wichs“
(Lederhose).
Regiert
wird in der Schonzeit
Vor seinem Regierungsantritt jagte er vor allem im Allgäu. Fritz
von Ostini schreibt über den Wildstand der riesigen, etwa
130 000 Hektar großen Reviere kurz nach 1900: „ln den Leibgehegen
um Berchtesgaden und um Hohenschwangau standen in diesem Jahr an den
Futterplätzen rund 8500 Stück Rotwild, 8070 Stück Gamswild
und 3890 Rehe. In den Jagden im Allgäu tummelten sich etwa 1000
Hirsche und 2500 Gemsen.“ Da gab es für den Regenten und seine
Jäger viel Waidmannsarbeit! Eine Postkarte der damaligen Zeit zeigt
die Münchener Residenz mit der ironischen Bildunterschrift: „ln
der Schonzeit wird hier regiert.“
Das Jagdjahr des Regenten begann im Frühjahr mit dem Schnepfenstrich
und der Spielhahnbalz in der Hirschau bei München. Im Juli war
Entenjagd in den zahlreichen Tümpeln und Altwassern an der Isar.
Dann folgten Ausflüge ins Gebirge auf Gams und Hirsch, doch eine
wichtige Unterbrechung bildete das Oktoberfest: Dann tauschte er die
Lodenjoppe mit dem ordenfunkelnden Waffenrock. Danach zog es ihn noch
einmal in sein Lieblingsrevier im Berchtesgadener Land.
Den Abschluß des Jagdjahres bildete der Aufenthalt im Spessart.
Für diesen größten zusammenhängenden Forstkomplex
des waldreichen Königreichs Bayern hatte der Prinzregent seinen
langjährigen Adjutanten Graf Wolfskeel eingesetzt. Während
der 22jährigen Regierung König Ludwigs II., der wenig Interesse
für das Waidwerk hegte, waren dort arge Mißstände eingerissen.
Konsequent und energisch wurde von Oberhofstallmeister von Wolfskeel
auch das Leibgehege Spessart neu organisiert.
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Der größte
Teil der Forstämter Rohrbrunn, Bischbrunn und Altenbuch wurde eingeparkt,
um die angrenzenden Felder vor Wildschaden zu bewahren. Rund 5000 Hektar
groß war der Saupark. Dort lebten etwa 1200 Sauen, wovon jährlich
etwa die Hälfte meist auf Hofjagden erlegt wurde. Allein im Forstamt
Altenbuch wurden jährlich etwa zehn Waggon zu je 100 Doppelzentner
Mais verfüttert, dazu noch gedämpfte Kartoffeln. Die enormen
Kosten dafür und für die Treiber kamen aus der Privatkasse des
Regenten, der volle 50 Jahre lang stets Ende November in den Spessart
zur Saujagd reiste.
In seinem Tagebuch beschreibt der Forstmeister von
Altenbuch Georg Simon die Ankunft des Regenten und seiner Jagdfreunde
in Rohrbrunn: „Von Markt Heidenfeld ging die Fahrt im offenen Wagen
zu seinem im Spessarter Bauernstil gebauten kleinen, aber sehr gemütlichen
Jagdschloß (Luitpoldshöhe), das von Kerzenlicht aus allen Fenstern
erstrahlte. Straße und Schloßplatz sind von Pechfackeln erleuchtet,
auf dem Schloßplatz parat die Jägerei des Wildparks und die
Vertreter der Dorfgemeinden, aus denen die Treiberwehr gebildet wird.
Da sprengen auf prächtigen schaumumwehten Rossen die Vorreiter in
den Fackelschein, mit grauen pelzverbrämten Mänteln und weißledernen
Reithosen. Unter dem Hörnerruf der Wartenden folgt der Viererzug
des Regenten, vom Sattel aus von Reitern in gleicher Uniform gefahren,
auf dem Bocke die Leibjäger mit Schiffshüten mit wehendem Federbusch.
Neben dem Regenten im offenen Wagen Prinz Ludwig. Im zweiten Wagen, zweispännig
vom Bocke aus gefahren, Prinz Leopold und Graf Woliskeel, im dritten Wagen
Generalsadjutant von Wiedenmann.. ." usw.
Eingestellte Jagden bis um 1900
Von Georg Simon, der zehn Jahre lang die Hofjagden in Altenbuch ausrichtete,
stammen eine Reihe wertvoller Aufzeichnungen über die Technik dieser
Jagden. Noch um 1900 war es üblich, die Wildschweine in eingestellten
Jagen zu erlegen. Das hatte den Vorteil, daß man das Wild nach Qualität
und Quantität genau sortieren konnte: Es war ja vor der Jagd eingefangen
worden, und zwar in einem Saufang, drei bis vier Wochen vorher. Simon
beschreibt auch „halbfreie Triebe“, die diese Jagden ablösten
und neben den „freien Trieben“ (ganz ohne Zaun) abgehalten wurden.
Nur auf diese Weise war es möglich, die Jagdstrecken einigermaßen
zu garantieren. Die festgelegten Jagdtage wurden niemals geändert.
Vielmehr hatten sich die Jagdverantwortlichen rechtzeitig darum zu kümmern,
daß genügend Sauen in den Trieben waren.
An einer natürlichen Suhle wurde ein bis zu ein Hektar großer
Fang aus Eichenpalisaden gebaut. An einem Ende dieser Anlage waren Sortierkammern
mit spitzen, gegen den Trieb gerichteten Enden, so daß die Sauen
nach Wahl in den Trieb gelassen werden konnten. Die Triebe lagen meist
an steilen Hängen. Vom Fang aus gingen nach zwei Seiten bis hinauf
zur Schützenlinie die sogenannten Wechselzäune, die 1,30 Meter
hoch waren und aus Fichtenstangen bestanden. So konnten die Sauen an den
Seiten nicht ausbrechen. Um den Anlauf besser auf die Schützen verteilen
zu können, lief auch in der Mitte noch ein Zaun, der übrigens
geheim und nicht einzusehen war. So konnte man die Sauen links und rechts
dirigieren und das Waidmannsheil, unterstützt durch entsprechend
instruierte Treiber, nach Gutdünken auf die verschiedenen hohen Herren
verteilen. Den beiden Söhnen Luitpolds standen die beiden äußersten
Stände zu (die besten!).
Geheimer Zwangspaß
zum Regentenstand
Als der Regent schon sehr alt geworden war, haben sich die Jagdleiter
noch so manche Raffinesse einfallen lassen, um dem beliebten Landesherrn
doch noch sicher zu Waidmannsfreuden zu verhelfen. Man hatte bei einigen
Trieben neben dem
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