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Der mit der schiach`n Jopp`n
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Prinzregent Luitpold von Bayern
Die Jagd hat in Bayern beim Volk wie bei den Fürsten immer eine große Rolle gespielt. Zum 800 jährigen Jubiläum der Wittelsbacher in Bayern ist deshalb im Deutschen Jagdmuseum München eine sehr erfolgreiche Sonderschau „Wittelsbacher Jagd“ zu sehen. Bernd E. Ergert, der sie gestaltet hat, berichtet heute über Prinzregent Luitpold von Bayern, der noch als fast neunzigjähriger so manchen Keiler auf die Schwarte legte.



Mittagspause im November 1900. Von rechts: Prinz Ludwig (der spätere König Ludwig III.), Prinzregent Luitpold, Prinz Leopold. (Alle Fotos: Deutsches Jagdmuseum München)

Außenzaun noch einen etwa 40 Meter breiten „Lauf“ angebracht, der zu seinem Stand führte. Er lag auf der Höhe der Schützenlinie, jedoch etwa 250 Meter davon entfernt. Um den Regentenstand bildeten die mit Fichten verblendeten Zäune einen etwa 150 Meter breiten Sack, wo die Sau, wenn sie beim ersten Anlauf gefehlt wurde, abermals anlaufen mußte. Forstmeister Simon schreibt in seinem Tagebuch, daß der Regent diese Einrichtung nicht kannte. Nur der Leibjäger wußte, daß es sich um einen Zwangstrieb handelte. In diesem Sack war eine herausnehmbare Hürde eingebaut, die geöffnet werden konnte, wenn die starken Sauen vom Regenten gestreckt waren; dann konnten die übrigen in die Freiheit.
Die hohen Herren führten bei diesen Jagden Doppelbüchsen mit Hahn: der Prinzregent und sein Sohn Ludwig Kaliber 11 mit sehr starker Schwarzpulververladung, die anderen Kaliber 9,3 mit rauchlosem Pulver. Der hervorragende Schütze Prinz Leopold jedoch führte schon einen Mauser-Repetierer.
Die Saujagden im Park, an denen in der Regel sieben Schützen teilnahmen, waren auf die drei Forstämter verteilt: Rohrbrunn und Altenbuch vier, Bischbrunn drei Jagden. Nur Sauen wurden geschossen, manchmal auch ein Fuchs - fast immer von
Prinz Leopold.
Den Ablauf eines Jagdtages beschreibt Simon folgendermaßen:





Die Skizze nach Aufzeichnungen von Forstmeister Georg Simon zeigt die Kombination eines eingestellten Jagens für den greisen Regenten mit einem halbfreien Treiben für die anderen Schützen. Wochen vorher wurde mit dem Fang der Sauen begonnen, die in den Sortierkammern den Tag der Jagd erwarteten. Die stärksten waren dem Regenten vorbehalten und befanden sich im linken Teil der Kammer. Von dort wurden sie auf dem Zwangswechsel zum Regentenstand getrieben, den sie im Uhrzeigersinn umrundeten. Wurden sie gefehlt, kamen sie nach einer Runde nochmals. Den unbeschossenen wurde ganz oben ein Tor geöffnet, wo sie entkommen konnten. Die anderen Schützen erwarteten die Sauen aus dem rechten Teil der Sortierkammer. Die besten Stände waren die „Prinzenstände“ an den Flügeln, wo die Sauen den Zaun entlangflüchteten. „Um fünf Uhr fütterte der Kutscher die Meute. Um sechs Uhr kamen die Treiber, um die Hunde anzukoppeln. Etwa 18 bis 20 Hunde waren vorhanden, meist Bracken, aber auch minderwertige Schweißhunde, Saupacker und zwei Doggen. Die Treiberwehr bestand aus 35 bis 45 Mann. Acht Mann nahmen die Saufedern - vorher scharf geschliffen - in Empfang.
Um 6.30 Uhr war Aufbruch. Voraus mit einer Pechfackel der Lange Peter (der Schmied des Dorfes), dann in dessen Fackelschein die Treiber mit Saufedern, dann die Hundeführer, hierauf die übrigen. Um 7.30 Uhr am Sammelplatz, der Jagdleiter gab vom Pferd seine Anweisungen. Die Treiber wurden aufgestellt, jeder mußte seinen Strick in die Höhe zeigen, woran er einen freien Hund ankoppeln oder eine Sau schleifen konnte. Punkt acht Uhr traf der Pferdeführer Luitpolds mit einem der drei Haflinger ein. Nach der Begrüßung des Jagdpersonals durch den Regenten ging der alte Herr stets zu seinen Lieblingen, den Hunden, die alle Pfote geben mußten - auch die bissigen. ‚Mir tun sie nichts‘, meinte er und behielt recht. Danach bestieg er sein Pferd und ritt zu seinem Stand.“
Insgesamt hat Luitpold alleine im Forstamt Altenbuch 96 Keiler und 379 andere Sauen erlegt. Die Gesamtstrecke dieser zehn Hofjagden in Altenbuch, die Simon in seiner zehnjährigen Dienstzeit leitete, betrug 235 Keiler und 1294 andere Sauen, außerdem fünf Füchse. Volle 50 Jahre lang reiste Bayerns hoher Jagdherr bis kurz vor seinem Tode in den Spessart zur Saujagd. Bei seinem letzten Aufenthalt im Jahre 1911 stiftete er 250 000 Mark für arme Schulkinder in den Spessartdörfern. Diese Gegend zählte damals zu den ärmsten in ganz Deutschland. Die Jagdstrecke, die man dem greisen Jäger zwischen dem 25. November und dem 2. Dezember meldete, betrug 432 Wildschweine. 133 davon hat er selbst erlegt.

»Der mit der schiach`n Jopp`n«
Jäger - November 1980 , S. 74 - 78

65 Jahre alt ist Prinz Luitpold, als er die Regentschaft in Bayem antritt. Die Jagd war es vor allem, die seine Natürlichkeit und Volksnähe offenbarte. Das Bild, das sich das Volk vom greisen Regenten machte, hielt der persönliche Freund Franz August von Kaulbach in einem Bild fest. Es diente später der Königlichen Post als Vorlage für einen Briefmarkensatz und zeigt den Regenten natürlich mit seinem berühmten Jagdhut.



Als Luitpold zum erstenmal als Prinzregent zur Jagd nach Hohenschwangau kam, kannte man ihn noch kaum. Einer der Treiber fragte seinen Nachbarn: „Wöller ischt's?“ (Welcher ist es?) Die Antwort: „Der mit der schiach`n Jopp`n!“ (Der mit der häßlichen Jacke). So war er immer: Stets trug er die echte Oberländer Tracht mit Joppe, mit Wadenstrümpfen und der heißgeliebten „Wichs“ (Lederhose).

Regiert wird in der Schonzeit
Vor seinem Regierungsantritt jagte er vor allem im Allgäu. Fritz von Ostini schreibt über den Wildstand der riesigen, etwa
130 000 Hektar großen Reviere kurz nach 1900: „ln den Leibgehegen um Berchtesgaden und um Hohenschwangau standen in diesem Jahr an den Futterplätzen rund 8500 Stück Rotwild, 8070 Stück Gamswild und 3890 Rehe. In den Jagden im Allgäu tummelten sich etwa 1000 Hirsche und 2500 Gemsen.“ Da gab es für den Regenten und seine Jäger viel Waidmannsarbeit! Eine Postkarte der damaligen Zeit zeigt die Münchener Residenz mit der ironischen Bildunterschrift: „ln der Schonzeit wird hier regiert.“
Das Jagdjahr des Regenten begann im Frühjahr mit dem Schnepfenstrich und der Spielhahnbalz in der Hirschau bei München. Im Juli war Entenjagd in den zahlreichen Tümpeln und Altwassern an der Isar. Dann folgten Ausflüge ins Gebirge auf Gams und Hirsch, doch eine wichtige Unterbrechung bildete das Oktoberfest: Dann tauschte er die Lodenjoppe mit dem ordenfunkelnden Waffenrock. Danach zog es ihn noch einmal in sein Lieblingsrevier im Berchtesgadener Land.
Den Abschluß des Jagdjahres bildete der Aufenthalt im Spessart. Für diesen größten zusammenhängenden Forstkomplex des waldreichen Königreichs Bayern hatte der Prinzregent seinen langjährigen Adjutanten Graf Wolfskeel eingesetzt. Während der 22jährigen Regierung König Ludwigs II., der wenig Interesse für das Waidwerk hegte, waren dort arge Mißstände eingerissen.
Konsequent und energisch wurde von Oberhofstallmeister von Wolfskeel auch das Leibgehege Spessart neu organisiert.



Der größte Teil der Forstämter Rohrbrunn, Bischbrunn und Altenbuch wurde eingeparkt, um die angrenzenden Felder vor Wildschaden zu bewahren. Rund 5000 Hektar groß war der Saupark. Dort lebten etwa 1200 Sauen, wovon jährlich etwa die Hälfte meist auf Hofjagden erlegt wurde. Allein im Forstamt Altenbuch wurden jährlich etwa zehn Waggon zu je 100 Doppelzentner Mais verfüttert, dazu noch gedämpfte Kartoffeln. Die enormen Kosten dafür und für die Treiber kamen aus der Privatkasse des Regenten, der volle 50 Jahre lang stets Ende November in den Spessart zur Saujagd reiste.
In seinem Tagebuch beschreibt der Forstmeister von Altenbuch Georg Simon die Ankunft des Regenten und seiner Jagdfreunde in Rohrbrunn: „Von Markt Heidenfeld ging die Fahrt im offenen Wagen zu seinem im Spessarter Bauernstil gebauten kleinen, aber sehr gemütlichen Jagdschloß (Luitpoldshöhe), das von Kerzenlicht aus allen Fenstern erstrahlte. Straße und Schloßplatz sind von Pechfackeln erleuchtet, auf dem Schloßplatz parat die Jägerei des Wildparks und die Vertreter der Dorfgemeinden, aus denen die Treiberwehr gebildet wird. Da sprengen auf prächtigen schaumumwehten Rossen die Vorreiter in den Fackelschein, mit grauen pelzverbrämten Mänteln und weißledernen Reithosen. Unter dem Hörnerruf der Wartenden folgt der Viererzug des Regenten, vom Sattel aus von Reitern in gleicher Uniform gefahren, auf dem Bocke die Leibjäger mit Schiffshüten mit wehendem Federbusch. Neben dem Regenten im offenen Wagen Prinz Ludwig. Im zweiten Wagen, zweispännig vom Bocke aus gefahren, Prinz Leopold und Graf Woliskeel, im dritten Wagen Generalsadjutant von Wiedenmann.. ." usw.

Eingestellte Jagden bis um 1900
Von Georg Simon, der zehn Jahre lang die Hofjagden in Altenbuch ausrichtete, stammen eine Reihe wertvoller Aufzeichnungen über die Technik dieser Jagden. Noch um 1900 war es üblich, die Wildschweine in eingestellten Jagen zu erlegen. Das hatte den Vorteil, daß man das Wild nach Qualität und Quantität genau sortieren konnte: Es war ja vor der Jagd eingefangen worden, und zwar in einem Saufang, drei bis vier Wochen vorher. Simon beschreibt auch „halbfreie Triebe“, die diese Jagden ablösten und neben den „freien Trieben“ (ganz ohne Zaun) abgehalten wurden. Nur auf diese Weise war es möglich, die Jagdstrecken einigermaßen zu garantieren. Die festgelegten Jagdtage wurden niemals geändert. Vielmehr hatten sich die Jagdverantwortlichen rechtzeitig darum zu kümmern, daß genügend Sauen in den Trieben waren.
An einer natürlichen Suhle wurde ein bis zu ein Hektar großer Fang aus Eichenpalisaden gebaut. An einem Ende dieser Anlage waren Sortierkammern mit spitzen, gegen den Trieb gerichteten Enden, so daß die Sauen nach Wahl in den Trieb gelassen werden konnten. Die Triebe lagen meist an steilen Hängen. Vom Fang aus gingen nach zwei Seiten bis hinauf zur Schützenlinie die sogenannten Wechselzäune, die 1,30 Meter hoch waren und aus Fichtenstangen bestanden. So konnten die Sauen an den Seiten nicht ausbrechen. Um den Anlauf besser auf die Schützen verteilen zu können, lief auch in der Mitte noch ein Zaun, der übrigens geheim und nicht einzusehen war. So konnte man die Sauen links und rechts dirigieren und das Waidmannsheil, unterstützt durch entsprechend instruierte Treiber, nach Gutdünken auf die verschiedenen hohen Herren verteilen. Den beiden Söhnen Luitpolds standen die beiden äußersten Stände zu (die besten!).

Geheimer Zwangspaß zum Regentenstand
Als der Regent schon sehr alt geworden war, haben sich die Jagdleiter noch so manche Raffinesse einfallen lassen, um dem beliebten Landesherrn doch noch sicher zu Waidmannsfreuden zu verhelfen. Man hatte bei einigen Trieben neben dem


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